Kurt Tucholsky

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EINE FRAGE

Da stehn die Werkmeister — Mann für Mann.

Der Direktor spricht und sieht sie an:

"Was heißt hier Gewerkschaft! Was heißt hier Beschwerden! Es

muß viel mehr gearbeitet werden!

Produktionssteigerung! Daß die Räder sich drehn!"

Eine einzige kleine Frage:

Für wen?


Ihr sagt: die Maschinen müssen laufen.

Wer soll sich eure Waren denn kaufen?

Eure Angestellten? Denen habt ihr bis jetzt

das Gehalt, wo ihr konntet, heruntergesetzt.

Und die Waren sind im Süden und Norden

deshalb auch nicht billiger geworden.

Und immer noch sollen die Räder sich drehn ...

Für wen?


Für wen die Plakate und die Reklamen?

Für wen die Autos und Bilderrahmen?

Für wen die Krawatten? die gläsernen Schalen?

Eure Arbeiter können das nicht bezahlen.

Etwa die der andern? Für solche Fälle

habt ihr doch eure Trusts und Kartelle!

Ihr sagt: die Wirtschaft müsse bestehn.

Eine schöne Wirtschaft!

Für wen? Für wen?


Das laufende Band, das sich weiter schiebt,

liefert Waren für Kunden, die es nicht gibt.

Ihr habt durch Entlassung und Lohnabzug sacht

eure eigne Kundschaft kaputt gemacht.

Denn Deutschland besteht — Millionäre sind selten —

aus Arbeitern und aus Angestellten!

Und eure Bilanz zeigt mit einem Male

einen Saldo mortale.


Während Millionen stempeln gehn.

Die wissen, für wen.

Kurt Tucholsky, 1931


Kurzer Abriss der Nationalökonomie

Nationalökonomie ist, wenn die Leute sich wundern, warum sie kein Geld haben. Das hat mehrere Gründe, die feinsten sind die wissenschaftlichen Gründe, doch können solche durch eine Notverordnung aufgehoben werden.

Über die ältere Nationalökonomie kann man ja nur lachen und dürfen wir selber daher mit Stillschweigen übergehen. Sie regierte von 715 vor Christo bis zum Jahre 1 nach Marx. Seitdem ist die Frage völlig gelöst: Die Leute haben zwar immer noch kein Geld, wissen aber wenigstens, warum. (...)

Jede Wirtschaft beruht auf dem Kreditsystem, das heißt auf der irrtümlichen Annahme, der andre werde gepumptes Geld zurückzahlen. Tut er das nicht, so erfolgt eine sog. "Stützungsaktion", bei der alle, bis auf den Staat, gut verdienen. Solche Pleite erkennt man daran, dass die Bevölkerung aufgefordert wird, Vertrauen zu haben. Weiter hat sie ja dann auch meist nichts mehr.

Kurt Tucholsky, 1931

(Aus: Gesammelte Werke, Bd. 9)

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