JVA Hünfeld

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Aktuelles

Junge Welt 15.07.2013 / Thema / Seite 10Inhalt

Ausgefeilte Knastökonomie

Nach Mauscheleien ging 2005 die hessische Justizvollzugsanstalt Hünfeld als »Public Private Partnership«-Projekt in Betrieb. 2012 wurde ihre Rückverstaatlichung gefordert, die CDU-FDP-Landesregierung schloß Januar 2013 aber einen neuen Vertrag

Von Werner Rügemer

hier


BSBD: Scharfe Kritik am "Privatknast" - "Ziel der Geldeinsparung verfehlt" [1]

Wichtiger Artikel von Werner Rügemer: "Privat in die Pleite Weltweit zeigt sich, daß der Ausverkauf öffentlichen Eigentums jene Probleme schafft, die er zu bekämpfen vorgibt. Inzwischen wird vielerorts zurückgerudert... [2]



Die Justizvollzugsanstalt Hünfeld ist die erste teilprivatisierte Justizvollzugsanstalt in Deutschland. Sie befindet sich im osthessischen Hünfeld und bietet 502 Haftplätze.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Das hessische Modellprojekt

Aufgrund der Überbelegung der hessischen Gefängnisse wurde schon vor einigen Jahren ein weiterer Gefängnisneubau in Hessen geplant. Nach Angaben des damaligen hessischen Justizministers Christean Wagner hätten die Erfahrungen in England, Frankreich und den USA gezeigt, dass (teil-)privatisierte Gefängnisse kostengünstiger und effektiver seien. Deshalb wurde schon im Koalitionsvertrag der damaligen hessischen Regierungsparteien CDU und FDP im Frühjahr 1999 beschlossen, dass Planung, Bau und Betrieb eines neu zu bauenden Gefängnisses soweit wie rechtlich möglich in private Hände übertragen werden soll. Auf dieser Basis hat das hessische Justizministerium eine Arbeitsgruppe eingesetzt, welche die rechtlichen Rahmenbedingungen für ein solches Modellprojekt erarbeiten sollte. Die Arbeitsgruppe kam zu dem Schluss, dass eine Privatisierung des Strafvollzugs als Ganzes in Deutschland unzulässig ist, da der Strafvollzug zum Kernbereich staatlicher Aufgabenerfüllung gehört und als solcher im Hinblick auf Absatz 4 Grundgesetz nicht privatisierungsfähig ist. Innerhalb des Strafvollzugs wurde es jedoch für möglich erachtet, bestimmte Teilbereiche im Rahmen einer Public Private Partnership zu privatisieren. 45% aller Tätigkeiten werden von dem privaten Betreiber Serco ausgeführt.


Dieser übernimmt

  • die medizinische Regelversorgung,
  • die Betreuung der Krankenstation
  • die komplette Verpflegung der Inhaftierten.
  • Hinzu kommen die Beratungsdienste,
  • die Arbeitstherapie,
  • die Sport- und Freizeitangebote
  • die berufliche Fort- und Weiterbildung Quelle [3]
  • die Planung und Errichtung,
  • das Hausmanagment (Bauunterhaltung, Wartung etc.),
  • das Versorgungsmanagement (Küche, Reinigung, Bekleidungsausgabe),
  • Betreuungsmanagement,
  • sowie bestimmte Teile des Bewachungs- und Kontrollmanagements wie bespielsweise die tägliche Kontrolle der Funktionsfähigkeit der Sicherungsanlagen.

Diese Aufgaben werden von den vertraglich verpflichteten Personen als Verwaltungshelfer wahrgenommen.

Nicht privatisiert werden konnte aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben hingegen:

  • der überwiegende Teil des Bewachungsmanagments, also die Aufnahme und Entlassung der Gefangenen, Vollzugsplanungen, Disziplinarmaßnahmen etc.,
  • der übrige Teil des Bewachungs- und Kontrollmanagement, also etwa die Kontrolle der Außenkontakte sowie die Anordnung und Durchführung von Sicherungsmaßnahmen oder unmittelbarem Zwang,
  • sowie die gesamte Organisationshoheit.

Diese Aufgaben werden weiterhin von Beamten wahrgenommen.

Die Verantwortung für den Betrieb der Justizvollzugsanstalt bleibt wegen Abs. 2 Strafvollzugsgesetz allein in staatlicher Hand. Der Anteil des privatisierten Personals des Gefängnisses liegt bei 45 %. Insgesamt werden 95 Mitarbeiter für den privaten Betreiber arbiten, 116 Mitarbeiter werden Staatsdiener sein. Die Kosteneinsparungen gegenüber anderen hessischen Justizvollzugsanstalten sollen bei ca. 15 % liegen. Hessen hat im Vergleich mit anderen Bundesländern sehr hohe Haftkosten.

Nach einer europaweiten Ausschreibung im Jahre 2003 erhielt die Fa. Serco GmbH aus Bonn, eine Tochtergesellschaft der britischen Serco Group, den Zuschlag als wirtschaftlichster Anbieter. Mit ihr schloss das Land Hessen am 8. November 2004 einen Betreibervertrag und ihr wurden die privatisierbaren Aufgaben übertragen. Serco führt in Engand bereits fünf vollprivatisierte Anstalten und baut technische Anlagen und andres.

Am 7. Dezember 2005 wurde die JVA vom hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch feierlich eröffnet. Die Nacht zuvor hatte der neue hessische Justizminister Jürgen Banzer als Gast zur Probe in dem Gefängnis übernachtet.

[Bearbeiten] Lage/Anfahrt

Die Anreise für Besucher oder Anwälte mit öffentlichen Verkehrsmitteln gestaltet sich schwierig. Zwar gibt es stündlich zwei ICE von Ffm nach Fulda dann muss man aber auf die Regionalbahn umsteigen. Von dort fährt stündlich ein Bus (Fussweg ca. 20 Minuten), ohne Vorbestellung findet sich vor dem Bahnhof kein Taxi.

[Bearbeiten] Das Gebäude

Die JVA Hünfeld wurde als kammförmige Anlage entworfen, die sich entlang eines zweigeschossigen Erschließungsganges, der sog. Vollzugsmagistralen, befindet. Die Vollzugsmagistrale soll alle Bereiche der Anstalt eng vernetzen und im Sinne eines "Konzepts der kurzen Wege" sämtliche Nutzungen wie Unterkunftsgebäude, Arbeitsstätte und Funktionsbereiche unter einem Dach verbinden. Die Anlage wird von einem begrünten Wall umschlossen. Davor liegt ein großes Gelände des BGS.

[Bearbeiten] Belegungszahlen

Die JVA wird seit Januar 2006 belegt und hat 502 Haftplätze plus 15 Plätze im Krankenrevier. Im Februar 2007 waren 440 Personen inhaftiert.

[Bearbeiten] Arbeitsplätze Inhaftierte

Im Februar 2007 waren 233 Arbeitsplätze in Unternehmerbetrieben für Inhaftierte und eine Beschäftigungsquote von etwa 75% also 370 Beschäftigtenplätze bei Vollbelegung angestrebt.

Beispiele für kurzfistige wechselnde Arbeiten:

  • Kleiderbügel eines Konfektionsunternehmens in Metall und Kunststoff trennen
  • Verpackungsarbeiten

[Bearbeiten] Arbeitszeit

Zwei Schichten zu je 6,25 Stunden

Während der Arbeitszeit kein Einkauf, Besuche, Arztbesuche (Ausnahme Rechtsanwälte)

[Bearbeiten] Arbeitstherapie

Mit niedrigschwelligen Tätigkeiten (24 Plätze), die von serco organisiert werden, will man "an Arbeit heranführen". Dafür stehen drei Serco- Ergotherapeuthen bereit.

[Bearbeiten] Aus- und Weiterbildung

In Paragraph 37 des Strafvollzugsgesetzes steht: „Arbeit, arbeitstherapeutische Beschäftigung, Ausbildung und Weiterbildung dienen insbesondere dem Ziel, Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern...Geeigneten Gefangenen soll Gelegenheit zur Berufsausbildung, beruflichen Fortbildung, Umschulung oder Teilnahme an anderen ausbildenden oder weiterbildenden Maßnahmen gegeben werden.“

Statt einer Ausbildung beginnt nun Serco damit in Zusammenarbeit mit der von Lutz Helmig aufgekauften Bildungseinrichtung Educationcenter BBZ Gefangenen einen 600stündige Schweißerlehrgang absolvieren zu lassen. Harald Hahner, der Geschäftsführer des BBZ und Vorsitzender des hessischen Prüfungsausschusses im Verband für Schweißtechnik meint „Schweißer werden derzeit gesucht, und mit dem Schweißerpass kann man international etwas anfangen.“

Im Frühjahr 2007 gründete die ebenfalls vom Milliardär Lutz Helmig aufgekaufte EDAG eine Zeitarbeitsfima für den technischen Bereich, mit der Zielsetzung der Vermittlung von ca 3000 Zeitarbeitern.


[Bearbeiten] Arbeitsplätze Bedienstete der JVA

Es gibt 115 Landesvollzugsbeamte mit zweijähriger Ausbildung. Aus der Region wurden 60 Neueinstellungen vorgenommen.

[Bearbeiten] Arbeitsplätze Angestellte Serco

Serco beschäftigt 95 Personen, davon ca. 90 aus der Umgebung von Hünfeld.

Im Juli 2012 wird Serco konzernunabhängig vom britischen Mutterkonzern und in steep GmbH umbenannt. Im November unterzeichnet der hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn mit der Firma "steep GmbH" den neuen Betreibervertrag [4]. Die steep GmbH erhält den Zuschlag für 6 Jahre mit einer Option auf Verlängerung des Vertrages für weitere 3 Jahre [5]

[Bearbeiten] Haftbedingungen

[Bearbeiten] Essen

Die Lebensmittel werden angeliefert und in der von Serco betrieben Küche verarbeitet. Dort arbeiten 23 Gefangene. Es wird bereits in der Küche portioniert. Es gibt Kritik seitens der Gefangenen, dass individuelle Menge nicht möglich sei.Für die Versorgung der Gefangenen sei ein täglicher Festpreis von weniger als 2,10 Euro festgesetzt.

[Bearbeiten] Wäsche

[Bearbeiten] Zellen

[Bearbeiten] Außenkontakte

[Bearbeiten] Gesundheit

[Bearbeiten] Behandlungsprogramm

Teile dieses Artikels basieren auf dem Artikel [6] aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.

[Bearbeiten] Lokalpresse

  • Karge Feierstunde hinter Gittern - Im Hünfelder Gefängnis erhielten Absolventen der Schweißerausbildung ihre Urkunden [7]
  • Mehrheit weiß Hünfeld zu schätzen JVA-Leiter Werner Päckert nimmt Stellung zu Klagen von Häftlingen über das Anstaltsleben [8]
  • 50 Inhaftierte klagten über Übelkeit in der JVA Hünfeld: [9]

[Bearbeiten] Nach unzulässiger Öffnung von Briefen an Gefangene regt sich erneut Kritik an der JVA Hünfeld

Der Briefverkehr der Gefangenen mit ihrem Anwalt und mit Abgeordneten des Landtages oder Bundestages steht unter Schutz. Diese Briefe dürfen nicht geöffnet werden. Im Januar 2008 wurden unberechtigte Öffnungen von Gefangenenbriefen an das MdB Ulla Jelpke (DIE LINKE) und das MdL Dr. Andreas Jürgens (GRÜNE) bekannt, was erneut zu Kritik an der teilprivatisierten JVA führte. Die Kompetenzunklarheiten zwischen Justizbeamten und den Angestellten der Firma Serco stehen unter Kritik. [10]


[Bearbeiten] Literatur

  • Torsten Kunze: Privatisierung im Strafvollzug – Das hessische Modellprojekt einer teilprivatisierten Justizvollzugsanstalt, in: E. Meurer/G. Stephan (Hrsg.), Rechnungswesen und Controlling in der öffentlichen Verwaltung, Gruppe 6, S. 695 bis 715, Haufe Verlag, Freiburg 2003
  • Rolf Stober (Hrsg.): Privatisierung im Strafvollzug?, Köln u.a. 2001, ISBN 3-452-24996-4
  • Thomas Mösinger: Privatisierung des Strafvollzugs, BayVBl 2007, 417 ff.
  • Christean Wagner: Privatisierung im Justizvollzug – Ein Konzept für die Zukunft, in: Zeitschrift für Rechtspolitik, Jg. 2000, S. 169 bis 216

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Aus linken Zeitungen

Datum
Zeitung
Artikel
17. September 2011 Neues Deutschland (täglich) Schwarzarbeit im Gefängnis -Bürgerrechtsorganisationen fordern, bei Altersarmut auch über die Rente von Gefangenen zu sprechen hier
15. Januar 2009 Junge Welt (täglich) »Strafvollzug darf kein Objekt für Spekulation sein« -Die Privatisierung von Gefängnissen, die Tricks der Lobbyisten und die Kosten für die Allgemeinheit hier
4. März 2008 Junge Welt (täglich) Werner Rügemer: Privat in die Pleite- Weltweit zeigt sich, daß der Ausverkauf öffentlichen Eigentums jene Probleme schafft, die er zu bekämpfen vorgibt. Inzwischen wird vielerorts zurückgerudert... hier
Freitag, den 14. März 2008 Unsere Zeit (wöchentlich) Parallelgesellschaft - In den USA sitzt 1 Prozent der Bevölkerung im Knasthier
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