Fuldaer auswärts - Berlin

Aus Fuldawiki

Wechseln zu: Navigation, Suche

[Bearbeiten] Politische Bildung auf Reisen

      • Jeder Bundestagsabgeordnete darf zwei Mal pro Jahr 50 Personen aus seiner Wahlregion in die Bundeshauptstadt zu einer „Tagung für politisch Interessierte“ einladen. Da kommen für den kompletten Bundestag schon einige Menschen zusammen, die – betreut vom Besucherdienst des Bundestages – durch Berlin ziehen.

Seit den vorgezogenen Bundestagswahlen im September 2005 arbeiten im Bundestag auch 54 Abgeordnete der LINKEN mit. Auf Einladung des einen von zwei hessischen Abgeordneten der LINKEN, Werner Dreibus nahmen 50 Personen aus ganz Hessen vom 24.9. bis zum 27.9. an der Info-Fahrt teil: Eine bunte Mischung aus Mitgliedern der beiden Parteien „Linkspartei - DIE LINKE“ und „Wahlalternative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit - WASG“ sowie Sympathisanten und Interessierten, die gerne die Arbeit der Fraktion DIE LINKE im Bundestag und den Abgeordneten Dreibus kennen lernen wollten.

Die Abgeordneten regen die Fahrten beim Presse- und Informationsamt der Bundesregierung an, und dieses stellt für jede Besuchergruppe ein Programm zusammen, das auch einen Termin mit dem Abgeordneten beinhaltet, der eingeladen hat. Die Hauptstadt ist mittlerweile mit Attraktionen derart überfrachtet, dass die Besucherprogramme recht unterschiedlich ausfallen können. Unsere Fahrt beinhaltete u.a. die Besichtigungen des großen Plenarsaals im Reichstagsgebäude sowie der Glaskuppel (ein MUSS für jeden Berlin-Besuch), des Auswärtigen Amtes, des Presse- und Informationsamtes der Regierung, des Informations- und Dokumentationszentrums der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des STASI der DDR und des KZ Sachsenhausen. Neben diesem umfangreichen staatsbürgerlichen Bildungsprogramm (die Besucherfahrten sind anerkannt nach dem Bildungsurlaubsgesetz) gab es genug Gelegenheit, sich Berlin anzuschauen: Stadtrundfahrt, individueller Rundgang durch den historischen Stadtkern Berlins, das Nikolaiviertel und Nacht-Spreefahrt auf einem Schiff.

  • Für DIE LINKE sind solche Fahrten ja noch recht neu. Durch Gespräche mit den anderen Teilnehmern erfuhr ich, dass sie für andere Parteien geradezu „ein alter Hut“ sind. Viele Teilnehmer hatten bereits Fahrten von anderen Parteien mitgemacht, und nachdem ich erlebte, wie angenehm solche Fahrten gestaltet sind, fragte ich mich, warum ich nicht auch schon früher einmal teilgenommen hatte: Fahrt im ICE, 4 Sterne Tagungshotel, Mittags- und Abendmahlzeiten in schicken Restaurants und Kneipen, Spreefahrt und die interessanten Besuche – alles bezahlt unsere Bundesregierung – das heißt letztendlich wir Steuerzahler selbst. Hier hat man die Möglichkeit, mal etwas von den Steuern, die man Jahre lang einbezahlt hat, in Form einer schönen Reise wiederzuerhalten.

Für uns als neue Linke stellte die Fahrt eine gute Chance dar, untereinander ins Gespräch zu kommen. Im Jahr 2007 planen die Mitglieder der beiden Parteien „Linkspartei“ und „WASG“ gemeinsam eine neue Partei ins Leben zu rufen, welche die Linke mit ihren unterschiedlichen „Geschichten“ zusammenschließt: die einen als PDS (seit 2005 Linkspartei) hauptsächlich im Osten Deutschlands aktiv, die anderen als WASG in 2004 vorwiegend gegen den beständigen Sozialabbau gegründet und wieder andere, die sich bisher als parteiunabhängige Linke in sozialen Initiativen engagieren. Dieses breite Spektrum fand sich zu der Berlin-Fahrt zusammen.

  • Durch die vielen informellen Gesprächsgelegenheiten im Hotel, beim Abendessen oder in der Kneipe erfuhren wir viel von anderen Regionen Hessens, vom dortigen Stand der Verhandlungen der beiden Parteien zum Punkt der Parteineugründung in 2007 oder von der Arbeit in anderen Kommunalparlamenten in Hessen. Nach der Kommunalwahl im März 2006 sitzen erstmals in 20 von 21 Kreistagen Vertreter der LINKEN, und insgesamt schaffte es DIE LINKE in unterschiedlichen Wählergemeinschaften, mit insgesamt 130 Abgeordneten die Kommunalparlamente in Hessen zu besetzen. Selbst in Fulda arbeiten nun je ein Abgeordneter der LINKEN.Offenen Liste im Kreistag (Lukas Larbig) und im Stadtparlament (Günter Maul) mit.


Zum Schluss noch einige persönliche Eindrücke, die ich von der Fahrt mit nach Hause nahm: Da ist z.B. Nicole, mit der ich das Hotelzimmer teilte. Sie kommt aus Frankfurt Höchst, ist 33 Jahre alt, Mitglied der WASG und hat sich stark im Kommunalwahlkampf engagiert; mit Erfolg, denn die LINKE.WASG erhielt 6,6% der Stimmen und damit 6 Sitze im Römer. Wir unterhalten uns über Stadtpolitik, und ich erzähle ihr von Fulda und der geplanten Neugestaltung des Uniplatz.

Und Nicole berichtet mir von der Einkaufsstraße in Höchst: Nachdem die Stadt vor einigen Jahren den Bau riesiger neuer Einkaufszentren mit KOSTENLOSEN Parkplätzen an den Stadträndern bewilligt hatte (siehe Kaiserwiesen), ging der Umsatz in der vormals sehr beliebten Einkaufspassage im Kern von Höchst drastisch zurück. Waren vorher sogar Kunden aus dem benachbarten Main-Taunus-Kreis (der Gegend mit der hessenweit größten Millionärsdichte) extra zum Shoppen nach Höchst gekommen, verzogen sich nun mehr und mehr Kunden in andere Regionen. Das führte bei den Stadtvätern zu panikartigem Aktionismus: Neue attraktive Investoren wurden gefunden, man gestaltete die Einkaufsstraße „käuferfreundlich“ um, doch der gewünschte Effekt blieb aus. Nach Nicoles – und auch meiner – Meinung liegen die Gründe dafür bei zwei Punkten: Menschen, die arbeiten und damit über Einkommen verfügen, haben keine Nerven und keine Zeit mehr, in Innenstädte zu fahren, dort langwierig einen kostenpflichtigen Parkplatz zu suchen und dann durch sieben verschiedene Geschäfte zu hetzen, bis sie ihren Einkauf zusammen haben. Sie ziehen das Einkaufscenter vor, wo sie zum einen Parkmöglichkeiten haben und zum anderen alles zusammen einkaufen können. Und die Leute, die Zeit hätten, um in der Stadtmitte einkaufen zu gehen, wie Rentner oder Arbeitslose, haben kein Geld mehr.

Es ist bereits abzusehen, dass der Fuldaer Uniplatz, nachdem er vom Investor verschandelt wurde, zur Wüste werden wird. Und dann ist die denkmalgeschützte Turnhalle bereits abgerissen ... Unbegreiflich für mich, dass zwischen zwei schlecht laufenden Kaufhäusern, von denen eines vor kurzem noch vor der Insolvenz stand, ein weiteres Kaufhaus nun für die Kunden sorgen soll. Diese Rechnung geht nicht auf.

Nach Nicoles Beschreibung ist die Höchster Einkaufsstraße mittlerweile tot wie eine Geisterstadt im Wilden Westen. Interessant, mal über den eigenen Tellerrand hinaus zu sehen.

Anregend waren für mich auch die Diskussionen im Auswärtigen Amt, im Presse- und Informationsamt und in der STASI-Dokumentationsstelle. Überraschend sind die unglaublichen Mitarbeiterzahlen des Auswärtigen Amtes weltweit. Etwa alle vier Jahre ist das Botschaftspersonal gezwungen, seinen vielleicht schon lieb gewordenen Einsatzort zu verlassen und z.B. von China nach Brasilien oder den Irak zu rotieren. So soll gewährleistet werden, dass der Botschafter einen „gesunden Abstand“ zu seinem Einsatzland behält. Wer’s mag.

Einigkeit bestand in der Besuchergruppe darüber, dass wohl der bekloppteste Job von allen Mitarbeiter im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung ist: Egal, was man selbst für eine Einstellung zu politischen und gesellschaftlichen Fragen hat, Mitarbeiter dieser Behörde sind gehalten, jeden Senf, den die Bundesregierung ausheckt, für den Bürger mundgerecht aufzuarbeiten und bekannt zu machen. So antwortete die Mitarbeiterin dieses Amtes, die für unsere Fragen zuständig war, auch höchst diplomatisch. Ob sie denn nicht Probleme damit hätte, dass die Regierung von Rot-Grün nun zu Rot-Schwarz gewechselt sei und sie heute möglicherweise ganz andere Positionen „verkaufen“ muss als noch letztes Jahr? Damit hat sie keine Probleme, hat sie doch schon total die Haltung „wes Brot ich ess, des Lied ich sing“ verinnerlicht.

Hm, ja, es seien schon der ein oder andere Mitarbeiter der Behörde nach dem Regierungswechsel ausgetauscht worden, natürlich nur hohe Abteilungsleiter ... Ja, und es gibt schon mal hin und wieder das Problem, Entscheidungen der Regierung zum richtigen Zeitpunkt zu veröffentlichen: so hätte z.B. ihr Chef irgendwann mal die Schnauze von dem ewigen Hin und Her um die geplante Gesundheitsreform voll gehabt und hätte angeordnet, dass erst mal nichts mehr darüber verlautbart wird, jedenfalls nicht, solange die Meldungen sich praktisch stündlich ändern.

Überaus fesselnd war der Bericht des Mitarbeiters im STASI-Informations- und Dokumentationszentrum. Viele Fahrtteilnehmer ergriffen die Gelegenheit, Einsicht in ihre vielleicht vorhandene eigene STASI-Akte zu beantragen. Niemand, weder in Ost- noch in Westdeutschland kann sicher sein, dass keine Aufzeichnungen über ihn existieren.

Seit 1995 sitzen Archivare in einer Sammelstelle bei Nürnberg und puzzeln zerrissene Akten, die man in 17000 (!) Säcken - zur Schredderung und Verbrennung vorbereitet - sicherstellte, wieder zusammen. Von den ehemals 24 Archivaren sind heute nur noch 5 übrig geblieben. Das bedeutet, dass es noch Hunderte von Jahren dauern kann, bis alle gefundenen Akten ausgewertet sind...

  • Mein Fazit: ein Besuch in der Hauptstadt, der sich in jedem Fall gelohnt hat.

Zum Schluss noch zwei Bonmots am Rande: Unsere Gruppe hatte sogar das Glück, einen Blick auf’s Staatsoberhaupt zu erhaschen. Als wir auf unserer Stadtrundfahrt am Schloss Bellevue vorbeikamen, verabschiedete Horst Köhler gerade auf der herrschaftlichen Eingangstreppe einen ausländischen Staatsgast. Sehr bemerkenswert, dass ein gewählter Bundespräsident in Deutschland in einem Schloss residiert! Das ist ja wie in Fulda.

Und dann die Sicherheits-Checks bei den Staatsbehörden: damit kann nun wirklich kein Bombenleger dingfest gemacht werden. Während es Probleme mit Asthma-Sprays gab (die man den Patienten wegnehmen wollte), gingen Messer, Scheren und Schraubenzieher ohne Probleme durch.


      • Hessen - Berlin und zurück

6. März 2013 - Werner Dreibus (C)Werner Dreibus Homepage

Politik und Geschichte prägen die Informationsfahrt von Werner Dreibus

Die diesjährige politische Informationsfahrt des Wahlkreisbüros Werner Dreibus nach Berlin vom 26. Februar bis 1. März war inhaltlich von Geschichte und Politik geprägt. Dafür hatten sich fünfzig Hessinnen und Hessen angemeldet und für eine bunte Truppe gesorgt: Von jungen Menschen bis zu Senioren, von parteilich nicht gebundenen politisch Interessierten über Gewerkschaftsmitglieder bis zu Parteimitgliedern aus dem Rhein-Main-Gebiet und den Regionen Fulda und Mittelhessen war alles vertreten.

Nach der Anfahrt am Dienstag und dem Mittagessen waren der Nachmittag und der Abend zur freien Verfügung.

Mittwoch war der Tag der aktuellen Politik. Nach der Dank unseres hervorragenden Reiseführers interessanten und äußerst kurzweiligen Stadtrundfahrt besuchten wir den Bundestag und erlebten dort eine Fragestunde zum interessanten Thema Abrüstungsbericht. Es folgten die Diskussion mit Werner Dreibus zur Politik und zur parlamentarischen Arbeit der LINKEN und die Besichtigung der Glaskuppel des Bundestags. Tagesabschluss war der Informationsbesuch beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, das erstmals auf dem Programm stand.

Der Donnerstag war unser Tag der Geschichte. Der Besuch des Dokumentationszentrums „Topographie des Terrors“ konfrontierte uns mit den Tätern der Nazidiktatur. Allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurde hier bewusst, dass es viele eigentlich normale Menschen waren, die für Terror und Willkür verantwortlich waren. Am Nachmittag hatten wir eine Führung durch die Ausstellung "Wege, Irrwege, Umwege - Die Entwicklung der parlamentarischen Demokratie in Deutschland" im Deutschen Dom. Hier wurde uns in zwei Führungen die Kontinuität des nationalstaatlichen demokratischen Verfassungsdenkens seit 1848 vor Augen geführt. Zu kurz kam dabei für einige Teilnehmer, dass zu dieser Kontinuität auch der Antisemitismus gehört und die soziale Frage erst in der Weimarer Verfassung und dem Grundgesetz Ausdruck findet. Letzter Programmpunkt dieses Tages war das Jüdischen Museum, das allein durch seine Architektur einen Besuch lohnt.

Für den Freitag stand vor der Rückreise zunächst der Besuch des so genannten „Sozialistenfriedhofs“ in Friedrichsfelde auf dem Programm. Der Friedhof ist nicht nur der Gedenkort für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Er steht mit seiner Geschichte und hinsichtlich der vielen Sozialisten, Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter, die dort beerdigt sind oder derer dort gedacht wird, auch symbolisch für die widerspruchsvolle Geschichte der deutschen Linken. Es folgte der Besuch der Parteizentrale der LINKEN im Karl-Liebknecht-Haus. Hier erfuhren wir etwas über die Geschichte des Gebäudes und diskutierten über linke Politik. Den Abschluss der Fahrt bildete ein Informationsbesuch beim Bundespresse- und Informationsamt. Auch dies war ein „Erstbesuch“, der überraschend lehrreich war und uns bereits auf die heimischen Gefilde vorbereitete: Unsere Referentin war gebürtige Hanauerin!



Persönliche Werkzeuge